acting in concert

Acting in concert

Musikfestival mit 100% Frauenquote im [….] raum Witten am 19. und 20. Oktober 2018

Beim booking von acts ist es in der Musik ähnlich wie im restlichen Leben: die weiblichen Musiker*innen werden weit weniger gebucht als ihre männlichen Kollegen. Insofern ist das Musikfestival von Alex Brede auch politisch, wenn er bei „acting in concert“ schon zum zweiten Mal eine Frauenquote von 100 Prozent bucht und zwei Tage lang die Wittener Innenstadt rockt. Dabei irritiert Kunst und auch die Musik der Musiker*innen. Der SI Club Witten-Ardey hat eine der Musikerinnen und die für die Promotion zuständige Grafikerin mit insgesamt 1000 Euro gesponsort. Die Förderung von Frauen und Mädchen ist sozial und kulturell das Ziel der Clubs der Soroptimistinnen.

Kerstin Glathe hat Nalan, die als Musikerin „Slim Girl Fat“ heißt, und Lea, die Grafikerin, gefragt, wie ihnen die Förderung auf ihrem Lebensweg weiter hilft.

Lea Hopp ist 26 und hat an der Kunsthochschule studiert.

In was für einer Welt möchtest du leben?

„In einer kleinen Struktur bietet dieses Festival hier in Witten eine schöne Möglichkeit genau das anzugehen was ich mir vorstelle und damit zu experimentieren wie wir wirklich miteinander leben und umgehen wollen. Größer skaliert  wäre es ein schöner Anfang mir die Welt vorzustellen in der ich leben will, wenn es weniger hierarchische Machtstrukturen gebe unter denen der Großteil der Menschen leiden muss.“

Macht es dir keinen Spaß mit deinem Aussehen zu kokettieren?

„Darauf will ich mich nicht reduzieren lassen. Ich will nicht süß sein. Das ist nicht mein Weg. Für mich funktioniert das nicht.“

Kannst du mir über die Welt erzählen, in der Frauen wirklich gleichberechtigt wären?

„Das wäre mit Sicherheit eine bessere Welt nicht nur für Frauen sondern für alle. Dass wir immer noch in einer Welt leben in der verbale und körperliche Gewalt an Frauen ausgeübt wird und genau das auch noch unter vielen Regierungen eher unterstützt wird  – siehe Trump und Kavanaugh –  macht mich unfassbar wütend. Ich persönlich empfinde es im Alltag als eine wahnsinnige Belastung wenn mein „Frau-Sein“ die einzige Kategorie ist unter der ich gesehen werde. Das schränkt ein und bietet keine Entfaltungsmöglichkeiten und macht es zu etwas Negativem, obwohl es unglaublich schön ist eine Frau zu sein.

Bringt dich die Förderung für dieses Festival beruflich einen kleinen Schritt weiter?

„Es ist eine großartige Möglichkeit zu netzwerken. Man kommt dadurch mal wieder in ganz andere Kreise mit neuen Möglichkeiten. Da wird sich in Zukunft bestimmt Weiteres ergeben.“

 

Nalan hat sich als Künstlerinnennamen die Umkehrung des wohl größten Machorappers ever gegeben. Aus „Fat Boy Slim“ hat sie „Slim Girl Fat“ gemacht. Sie ist 28, lebt in Berlin und ist in München aufgewachsen.

https://slimgirlfat.bandcamp.com

Wie stellst du dir die Welt vor, in der du leben möchtest?

„Meine Vorstellung einer super Welt wäre eine sehr solidarische Welt. Eine Welt in der sich jede von uns frei bewegen kann. Das ist praktisch leider nicht der Fall. Wir hatten gerade ein Beispiel. Wir haben nur den Soundcheck gemacht und sind sehr blöd angemacht worden, weil es einem der Nachbarn zu laut war. Ich hätte mir gewünscht, dass er nicht seinen Mittelfinger rausgeholt hätte und das drei Mal hintereinander. Das meine ich mit solidarisch, hey wir sind Nachbarn, das Café hier existiert und das geht jetzt zwei Tage und so ein völlig blöder und banaler Ärger raubt einfach Kraft. Man sollte cool sein miteinander.“

Dieses Festival will ja auch die weibliche Seite der Musik stärken.

„Es gibt ganz viele Statistiken, dass weibliche acts weniger gebucht werden. Das liegt an unseren sehr männlichen Strukturen. Das ist noch nicht mal vom Genre abhängig. Wenn man so was realisiert und sagt, dass man das so macht wie hier und eine 100 Prozent Frauenquote macht, dass dann viele drauf achten. Und dann wird’s auf einmal interessant.“

Bringt dich das heute, dass du hier gebucht worden bist, beruflich ein Stück weiter?

„Es macht immer Sinn live zu spielen. Ich will gar nicht so fett damit durchstarten sondern meine musikalische Vision ausleben. Ich bin heute mit meinem Soloprojekt hier. Es geht mir nicht darum Säle zu füllen. Ich will einfach spielen.“

In dem Moment kommt der Fotograf. Nalan entschuldigt sich, dass sie noch nicht fertig ist, weil sie gerade erst aufgestanden ist.

Was bedeutet Weiblichkeit für dich. Du achtest doch sehr auf dein Äußeres?

„Ich glaube dass alle super viel auf ihr Äußeres achten. Die Kosmetikindustrie gibt uns das ja auch vor. Ich selbst verwende kein Makeup. Das ist ganz bewusst gewählt. Das heißt nicht, dass ich nicht auf mein Äußeres achte. Aber eigentlich dreht sich alles darum in unserer Welt.“

Stell dir vor, du würdest aussehen wie Beth Dito.

„Sie entspricht nicht unserer Idealvorstellung. Die finde ich aber auch nicht so cool, musikalisch, aber sie hat doch Erfolg. Wenn ich fünfzehn Kilo mehr hätte, wäre alles cool. Ich habe eben die musikalische Vision, unabhängig davon. Man macht gute Musik, wenn man Menschen berührt und da sollte es ganz egal sein, wie man aussieht, oder so alt ist wie man alt ist. Man hat allerdings fünffach bessere Karten, wenn man das gewisse Aussehen mitbringt, aber auch wenn das so ist, ist es mir egal, weil es mir um die Musik geht.“

Wie definierst du deine Weiblichkeit? Wo stehst du als Frau in der Welt?

„Kommt drauf an. Ich fühle mich wohl und lebe ein privilegiertes Leben. Manchmal kommt es vor, dass ich nicht ernst genommen werde. Aber zum Glück nicht so oft denn Ausstrahlung macht ganz viel aus. Ich bin direkt und offen und deswegen fühle ich mich sehr sicher.“

Und dann gibst du dir als Künstlerin einen Namen ausgerechnet in der Umkehrung des größten Machos aller Zeiten?

„Also wie das zustande kam. Ich habe jetzt nicht ’ne Kerze angezündet und Rotwein getrunken oder so. Ich habe an Fat Boy Slim gedacht und habe gedacht, boa, dieser Name ist so aufgeladen mit Männlichkeit. Man kennt ihn. Und mein Kerngedanke war so eine schnelle Idee, diesen Namen zu entmännlichen. Ich habe das mit ganz viel Humor gesehen.“

Jetzt gibst du heute ein Konzert in einer kleinen Stadt wie Witten? Was bringt das?

„Wenn ich hier wohnen würde, wäre ich froh darüber, dass Leute gebucht werden, die sonst nicht überall sind. Ich finde es super klasse ein internationales booking zu haben. Und das ist je nach Struktur nicht überall möglich. In München können sich Veranstalter das gar nicht leisten, weil München arschteuer ist. Die besten Acts kommen dann noch bis Nürnberg oder Erlangen aber nicht mehr bis zu uns nach München. Das stört den Prozess der Subkultur. Die meisten Kiddis, die hier groß werden, finden so was gerade hier in so kleineren Städten besser. Wir möchten hier die abholen, die sich das gewünscht haben.“

Was bedeutet gegenderte Sprache für dich? Der sich das gewünscht hat oder die sich das gewünscht hat? Wie benutzt du Sprache in der Weiblichkeit?

„In Berlin ist das ein ganz großes Thema und ich bemühe mich darauf zu achten. Ich bin ganz gespannt, wer heute Abend kommt. Allein durch das Booking holt man sich ja eine politische Message rein, weil man Musiker*innen nimmt. Aber es geht ja nur um Musik. „Music reaches everyone“. Es wäre cool, wenn nicht nur Frauen kommen sondern alle.“

http://www.actinginconcert.org/dehttp://acting in concert witten

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